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Das Smartphone erfindet sich neu

Der Smartphone-Boom liegt hinter uns. Dessen sind sich nicht nur die Analysten sicher, auch die Big Player wissen längst, dass andere Technologien schon bald das Smartphone ersetzen könnten. Sicher: Noch ist das Handygeschäft längst nicht tot. Trotz rückläufiger Absatzzahlen steigen die Erlöse – nicht zuletzt, weil die Verbraucher bereit sind, mehr Geld für die smarten Assistenten auf den Tisch zu legen. Doch was kommt danach? Ist die Zeit der Smartphones mit zunehmender Vernetzung abgelaufen, mit der Entwicklung hin zum Internet der Dinge? Oder ist es nicht vielmehr so, dass sich die Smartphone-Hersteller die neuen Technologien zunutze machen könnten? So oder so – die Smartphones, wie wir sie heute kennen, wird es schon bald nicht mehr geben.

Für Huawei könnte es derzeit besser nicht laufen. Gerade erst bescheinigte das Marktforschungsunternehmen IDC, dass der chinesische Elektronikkonzern erstmals mehr Geräte verkauft hat als Apple. Weiterhin an der Spitze der Trias: Samsung. Die Südkoreaner schwimmen mit ihrer Galaxy-Reihe weiterhin ganz oben auf der Erfolgswelle.

Das neue Galaxy Note9 soll aktuell an die Erfolge der beliebten Galaxy S9 und Galaxy S9 Plus anknüpfen. Huawei punktet mit dem Huawei P20 und dem Kameraprofi Huawei P20 Pro. Das Mate 20 soll den aktuellen Schwung aufnehmen und die Wachstumszahlen weiter nach oben treiben. Darüber hinaus sind die Smartphones der Chinesen auch bei Konsumenten äußerst beliebt, die nicht so tief in die Tasche greifen wollen – allen voran sind hier die Modelle Huawei Y6 und Y7 zu nennen. Apropos Chinesen: Neben Huawei begeistert ein weiterer Hersteller aus Fernost. Mit dem Vivo NEX, das mit XXL-OLED-Display und ausfahrbarer Selfie-Kamera begeistert, ist dem hierzulande noch unbekannten Hersteller ein absolutes Top-Smartphone gelungen.

Der Fingerabdrucksensor sitzt übrigens unter dem Display – ein Coup, der Apple oder Samsung bislang nicht gelungen ist.

Die Chinesen arbeiten hier mit einem Sensor, der unsichtbare Lichtstrahlen aussendet, die sich am Finger brechen und so dafür sorgen, dass das Gerät entsperrt wird. Und auch der Akku ist mit 4.000 Milliamperestunden ein echtes Kraftpaket. Einziges Manko: Bislang (seit Ende Juni) ist das Vivo NEX lediglich in China erhältlich – in zwei Modellen, die mit derzeit 500 beziehungsweise 570 Euro viel Innovation für kleines Geld bieten. Dass es das Gerät nach Europa schafft, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

In der Zwischenzeit rollen neben Huawei noch weitere chinesische Brands wie Xiaomi und Hisense den deutschen Markt auf. Dass es funktioniert, mit einer Mischung aus solider Hardware und innovativen Features Apple und Samsung Paroli zu bieten, zeigt sich am Beispiel Huawei. Das bestätigen nicht zuletzt die Erhebungen von BrandIndex. Demnach werden die Huawei-Geräte mittlerweile eher weiterempfohlen als Apples iPhones. Ein Grund hierfür dürfte das Preis-Leistungs-Verhältnis sein, bei dem die Chinesen klar als Sieger hervorgehen. Und auch in Bezug auf die Qualitätsunterschiede ist Huawei seinem Dauerkonkurrenten Apple dicht auf den Fersen.

Apple hingegen will laut dem Finanzdienst Bloomberg mit drei neuen Smartphone-Modellen unterschiedlicher Bildschirmgrößen in das diesjährige Weihnachtsgeschäft gehen und setzt hier auf das Design des aktuellen Flaggschiffproduktes IPhone X. Dieses rund 1.000 Euro teure Gerät hatte es entgegen den Zweifeln einiger Marktbeobachter geschafft, sich am Markt als Apples aktuell bestverkauftes Modell zu etablieren.

Google und Amazon stecken Milliardensummen
in die Entwicklung ihrer digitalen Sprachassistenten

Die Zeitenwende

Bei Apple ist das iPhone weiterhin für gut die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes verantwortlich, und doch ist es Huawei gelungen, mit über 54 Millionen ausgelieferten Smartphones Apple als zweitgrößten Smartphone-Hersteller der Welt abzulösen. Bei den Chinesen handelt es sich um satte 41 Prozent Wachstum. Apple hingegen stagniert mit unter 1 Prozent Wachstum. Mit 71,5 Millionen Smartphones hält sich Samsung weiter gemütlich an der Spitze. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Südkoreaner knapp 11 Prozent weniger Smartphones verkauft haben als noch vor einem Jahr.

Da verwundert es nicht, dass man sich unter den Herstellern längst Gedanken um die Zukunft des Smartphones macht. Bisher kannte die Industrie im Mobilfunkbereich nur eine Richtung – nach oben. Doch eine gewisse Zeitenwende setzte bereits im vergangenen Jahr ein. So legten die Zahlen des Analystenhauses Gartner dar, dass man im Weihnachtsgeschäft 2017 erstmals in der Geschichte des Smartphones weniger Geräte verkauft hatte als bislang –

genauer gesagt, waren es im letzten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahr 5,6 Prozent weniger. Freilich lässt sich in diesem Sektor nach heutigem Stand immer noch gut Geld verdienen. Jedoch muss die Frage erlaubt sein, ob das Smartphone, wie wir es heute kennen, bei der zunehmenden Vernetzung nicht irgendwann obsolet werden könnte. Wäre es möglich, dass neue Technologien dem Boom ein Ende setzen?

Dass sich unser Leben schon innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht mehr an den Bedingungen eines Smartphones ausrichtet, davon ist Telekom-Technologievorstand Claudia Nemat überzeugt. Zumindest formulierte sie es so bereits in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Daran kann dann wohl auch der neue Mobilfunkstandard 5G nichts ändern. Smarte Städte, autonomes Fahren, all dies soll schon bald möglich sein. Während die Konsumenten zwar derzeit noch im Schnitt 30 Mal täglich auf ihr Handy schauen, möchten, einer Deloitte-Studie zufolge, mittlerweile 46 Prozent der Befragten ihren Smartphone-Konsum einschränken. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass der Boom vorüber ist.

KI erobert die Smartphones

Das haben auch die großen Konzerne erkannt. Obschon das Smartphone heute noch weitgehend in die täglichen Prozesse integriert ist, konzentrieren sich die Big Player am Markt bereits auf neue Technologien wie Augmented Reality oder Sprachassistenten. Nicht ohne Grund. Das Internet der Dinge ist auf dem Vormarsch. Gegenüber dem Business Insider erklärte Martin Börner, Deputy President bei Samsung Electronics, dass sein Unternehmen daran arbeite, dass bis zum Jahr 2020 alle hauseigenen Geräte miteinander kommunizieren können. Währenddessen stecken Google und Amazon Milliardensummen in die Entwicklung ihrer digitalen Sprachassistenten Siri und Alexa. Die Frage, die sich stellt, ist dabei: Wird die Entwicklung hin zum Internet der Dinge dafür sorgen, dass das Smartphone abgeschafft wird? Oder ist es vielmehr so, dass sich der Stellenwert des Smartphones als „Kommandozentrale“ hierdurch nochmals erhöht – gesetzt den Fall natürlich, dass es die technischen Voraussetzungen hierfür erfüllt?

Künstliche Intelligenz war das Stichwort schlechthin auf dem diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona. Das Smartphone als Butler, persönlicher Assistent, Ratgeber und gleichzeitig als Gerät, das alle Details über seinen Nutzer sammelt, personalisiert, verwertet und bestmöglich für dessen Zwecke nutzt. Diese Szenarien sind bereits mit den neuesten Smartphone-Generationen machbar. Die Hersteller haben ihren Flaggschiffprodukten so viel digitale Intelligenz vermittelt, wie nur irgend machbar. Allen voran die via Sprachbefehl aktivierbaren Assistenten. Allerdings zeigt nicht zuletzt Samsung mit Bixby, dass es alles andere als trivial ist, den Telefonen das digitale Denken beizubringen. Ein weiterer Stolperstein sind die Datenschutzsensiblen Nutzer. Um diese Barrieren zu überwinden, arbeiten Apple und Huawei an Chips, die in die Hardware eingebaut werden sollen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Künstliche Intelligenz wäre künftig unabhängig von Funknetz und Cloud. Die Konsequenz: mehr digitale Privatsphäre für den Nutzer. Vollends entwickelt wären die Sprachassistenten deshalb noch lange nicht. Hinzu kommen weitere Baustellen, denn Voraussetzung für die neue Generation von Smartphone-Anwendungen ist eine leistungsfähige Hardware. Hierzu gehören schnellere Prozessoren, optimierte Displays oder auch Fingerprint-Sensoren. Deloitte, eines der weltweit führenden Prüfungs- und Beratungsunternehmen, hat einige Hardware-Innovationen identifiziert, die in den kommenden Jahren den Smartphone-Markt maßgeblich prägen sollen.

Hierzu zählen Augmented Reality, wofür die Tiefenerkennung der von der Kamera aufgenommenen Umgebung vonnöten ist und die biometrische Authentifizierung mit der derzeit populärsten Methode, dem Fingerprint, der auch beim Mobile Shopping zum Einsatz kommt. Längere Akkulaufzeiten und flexible Displays, welche die Bildschirme widerstandsfähiger gegenüber Beschädigungen machen würden, sind weitere Faktoren, die die Branchenexperten von Deloitte anführen.

Doch mit am wichtigsten dürfte Machine Learning für die weitere Entwicklung des Smartphones sein. Beim maschinellen Lernen als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz geht es um mathematische Techniken, die es dem System ermöglichen, Wissen aus Erfahrungen zu beziehen. Machine Learning sorgt dafür, dass Sprachkommandos zuverlässig funktionieren und digitalen Assistenten sich durchsetzen könnten. Und auch der Erfolg eines weiteren Trends, Virtual Reality, hängt entscheidend von der dazugehörigen Hardware ab – in diesem Fall dreht es sich um die Qualität der Smartphone-Displays und -Prozessoren.

Geht es nach dem Branchenverband Bitkom werden diese Innovationen als Erlöstreiber im Smartphone-Markt fungieren – allerdings nicht, ohne dass es hier zu Kräfteverschiebungen kommt. Demnach könnten künftig Medienhäuser, Online-Konzerne und natürlich Retailer am meisten profitieren. One-Touch-Payment macht das Mobile Shopping komfortabler, Augmented Reality ermöglicht neue, standortbezogene Commerce-Angebote und auch Virtual-Reality-basierte Webshops schaffen potenziell ein neues Shopping-Erlebnis.

So könnten Retailer ihre Mobile-Commerce-Umsätze in den kommenden Jahren erheblich steigern. Laut Berechnungen von Deloitte soll das Gesamtvolumen Smartphone-generierter Umsätze in Deutschland bis zum Jahr 2022 eine Summe von über 60 Milliarden Euro erreichen. Das wäre ein Anteil von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Das bringt uns zu der Frage zurück:

Geht das Smartphone also wirklich dem schleichenden Tod entgegen? Derzeit sicherlich nicht. Und dennoch zwingen die technischen Entwicklungen mit ihrer hohen Dynamik ebenso wie die Vielfalt neuer Anwendungsszenarien die Hersteller dazu, das Smartphone stetig weiterzuentwickeln. Mit dem Ziel, dessen Rolle als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren auch künftig beizubehalten und zu stärken.