Chief Cyborg Officer Dr. Patrick Kramer über die Zukunft des Menschen mit Mikrochip-Implantat

Digitale Transformation 2.0
und Augmented Humans

Wer sich in Europa mit Mikrochip-Implantaten und Bodyhacking im Allgemeinen beschäftigt, der kommt an Dr. Patrick Kramer nicht vorbei. Als Gründer von Digiwell – Europas größtem Webshop für Human Augmentation und Biohacking – und gefragter Keynote Speaker sinniert er seit Jahren in vielen Ländern über Cyborgs, digitale Transformation 2.0 und Biohacking.

Biohacking: Der große Überbegriff und seine vier kleinen Brüder

Biohacking, Bodyhacking, Human Augmentation, Mikrochip-Implantate – die vielen verschiedenen Begrifflichkeiten können für alle Nicht-Hacker schnell verwirrend wirken. Deshalb räumen wir zunächst alle Fragezeichen an die Seite und unterhalten uns anschließend mit Mr. Cyborg himself, Patrick Kramer. Vielleicht werden Sie im Anschluss ja auch Cyborg.

Insgesamt kann Biohacking in vier Unterkategorien aufgesplittet werden. Health-/Mind-Hacking ist wohl die bekannteste Form des Biohackings. Dabei geht es um nichts anderes als das Hacken des eigenen Körpers aus Fitness- und Gesundheitsgründen. Leistungssteigerung und verbesserte Gesundheit durch vergleichsweise simple, aber dennoch ausgeklügelte Tools wie Haltungs-Trainer für eine gerade Körperhaltung und einfache Nahrungsergänzungsmittel oder Smart Drugs sind hierbei die Schlüssel. Schon allein Kaffee mit Öl und Butter statt mit Milch und Zucker zu trinken, um besser aus dem morgendlichen Tief zu kommen, oder die Verwendung von Smart Drugs, um den eigenen Körper zu pushen, ist in gewisser Weise Biohacking.

Zwei weitere Ansätze sind das 3D-BioPrinting und das DNA-­Hacking. Hierbei stehen Life Enhancement und Life Extension im Vordergrund. Das bedeutet im Klartext, dass Wege gesucht werden, um die DNA nachhaltig zu optimieren, sodass die Lebenszeit verlängert wird. Im übertragenen Sinne trägt ein 3D-Biodrucker hierzu bei, indem er menschliches oder tierisches Gewebe wie Haut oder ­Zellen herstellt. Auch Organe sollen so in Zukunft druckbar werden, die ­Technologie befindet sich allerdings noch in den Kinderschuhen. Während 3D-Bioprinting Wellen der Begeisterung auslöst, ist das Hacking von DNA in Deutschland schwer umstritten. Generell ist die Veränderung von DNA hierzulande nur in speziellen Laboren gestattet. Zellen zum Leuchten zu bringen, wäre ein harmloses Beispiel für einen DNA-Hack.

Das vierte und letzte Element des Biohackings ist das Spezialgebiet von Dr. Patrick Kramer: BodyHacking mit smarten Mikrochip-Implantaten. Mikrochip-Implantate – nicht größer als ein Reiskorn – geben unseren Körpern neue Fähigkeiten. Informationen direkt unter der Haut zu speichern oder ohne Umwege mit der Umgebung zu interagieren, sind nur zwei der aktuellen Einsatzmöglichkeiten. Die winzigen Chips, die subkutan unter der ersten Hautschicht eingesetzt werden, sind die neue Schnittstelle in der Interaktion von Mensch und Maschine. Türen öffnen, ohne den Schlüssel benutzen zu müssen, oder Smartphones und Tablets entsperren, ohne sich meterlange Passwortlisten merken zu müssen: Das ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern die komfortable Realität für Cyborgs.

Aufklärung zu Bio- und Bodyhacking ist sicherlich notwendig, nicht nur bei Erwachsenen. Da das Thema in den Medien immer lauter wird, steigt auch das Interesse merklich an. Nach einer Studie stehen etwa 70 % der befragten Jugendlichen Mikrochip-Implantaten offen gegenüber. Auch Kinder zeigen sich wissbegierig und staunen mit offenem Mund, wenn es um Mikrochips unter der Haut geht. Deshalb will Dr. Patrick Kramer auch der nächsten Generation von Biohackern die Welt rund um Cyborg und Co. erklären.

ALSO POINT: Warum ist es so wichtig, Kinder beziehungsweise Jugendliche schon jetzt mit dem Thema Mikrochip-Implantate vertraut zu machen?

Dr. Patrick Kramer: Schlicht und einfach gesagt fände ich es ­wichtig, dass Kinder und Jugendliche über die Möglichkeiten der digitalen Transformation Bescheid wissen. Also über das, was heute möglich ist und was im Umkehrschluss möglich sein wird, wenn sie erst einmal älter sind. Die Perversion unserer Gesellschaft besteht darin, dass es kulturell gelernt und okay ist, Kindern schon im Kleinkindalter Ohrlöcher stechen zu lassen, das Einsetzen von Mikrochip-Implantaten, die einen klaren Mehrwert haben, häufig jedoch noch als absolutes No-Go gilt. Da muss man sich doch fragen, wieso die Wahrnehmung von Richtig und Falsch an manchen Stellen so seltsam verschoben ist und den Kindern nicht auch ein anderer Blickwinkel auf die Dinge ermöglicht wird.

ALSO POINT: Mit Technik im Körper neue Fähigkeiten, ja sogar neue Sinne zu erlangen ist grob gesprochen das Ziel von besagten Implantaten. Wie schnell überholt sich die Technologie denn selber und wie häufig muss der Cyborg sich „upgraden“?

Dr. Patrick Kramer: Die Technologie, die sich in Mikrochip-Implan­taten verbirgt, gibt es so schon seit über 30 Jahren. Die Chip-Implantate sind nicht nur deswegen bestens erprobt und langfristig bewährt: Unsere Haustiere leben seit Jahrzehnten mit Chips, die genau auf dieser Technologie basieren. Ich glaube kaum, dass irgendein Hunde- oder Katzenhalter seinem Tier etwas einpflanzen würde, das ihm auf kurze oder lange Sicht schaden würde. Außerdem schleppen wir diese Technik in Form von Plastikkarten im Portemonnaie sowieso schon seit vielen Jahren mit uns herum

ALSO POINT: Das heißt, man muss nicht ständig das Implantat wechseln, wenn eine neue Version ansteht?

Dr. Patrick Kramer: Nein, es gibt bei den Mikrochip-Implantaten keine „alten Versionen“. Das ist das klassische Smartphone-Denken, das man sich mit den kurzen Lebens- oder Gebrauchszyklen der Geräte angeeignet hat. Ein Freund von mir trägt seine Implantate bereits seit sieben Jahren und die funktionieren noch immer einwandfrei wie am ersten Tag.

ALSO POINT: Wie lange tragen Sie Ihr Implantat denn schon?

Dr. Patrick Kramer: Ich bin ein Sonderfall, was das Tragen von Mikrochip-Implantaten betrifft. Seit Jahren habe ich gleich mehrere Chips in meinem Körper. Da über den Digiwell Shop auch Mikrochip-Implantate verkauft werden, teste ich diese ständig. Das Überprüfen von Körperverträglichkeit, Einsetzen oder Funktionalität gehört zu meinem persönlichen Qualitätsmanagement. Das „älteste“ Implantat beziehungsweise das, welches ich bereits am längsten trage, wurde vor drei oder vier Jahren eingesetzt.

ALSO POINT: Türen öffnen und die eigene Visitenkarte via Chip übermitteln sind die klassischen Anwendungsbeispiele. Wie sieht es denn mit der bargeld- und kartenlosen Bezahlung aus? Ist das mit den Implantaten auch möglich?

Dr. Patrick Kramer: Es gibt derzeit noch kein Mikrochip-Implantat, mit dem man bezahlen kann – auch wenn viele Seiten fälschlicherweise davon berichten. Technisch wäre es aber mit der nächsten Implantat-Generation möglich. In der Praxis müsste man die Hand dann an ein Lesegerät halten und anschließend einen PIN eingeben. ­Momentan liegt der Knackpunkt, der die Entwicklung bremst, vor allem in den Prozessen dahinter. Die Banken sehen ihre Rolle in der Nutzung von Mikrochip-Implantaten nicht und fragen sich: „Was haben wir denn davon?“

ALSO POINT: Was genau kann man denn unter der „nächsten Generation“ verstehen?

Dr. Patrick Kramer: Wir arbeiten momentan an dem sogenannten VivoKey. Der Claim zum Implantat lautet „Become unhackable“, weil wir wichtige Daten wie Passwörter oder PINs im eigenen Körper tragen. Kryptografische Schlüssel, die wir alle mit der Zeit angesammelt haben und auch weiter sammeln werden, liegen normalerweise recht leicht hackbar auf PCs oder Smartphones. Identitätsdiebstahl ist damit ein Leichtes. Weltweit werden pro Sekunde derzeit etwa 6.000 digitale Identitäten gestohlen – und das pro Sekunde! Mit dem VivoKey könnten wir unser digitales Leben enorm erleichtern, weil wir uns beispielsweise nicht mehr alle Passwörter merken müssten und unsere Daten asymmetrisch kryptografisch abgespeichert wären. Der VivoKey vereint unsere biologische mit unserer digitalen Identität und lässt uns beides gleichermaßen kontrollieren. So können nur wir selbst entscheiden, welche Daten von wem in welcher Form genutzt werden dürfen und welche nicht.

Mit dem VivoKey könnten wir
unser digitales Leben enorm erleichtern …

ALSO POINT: Meinen Sie, dass selbst die größten Kritiker irgendwann umgestimmt werden können und den Mehrwert der Mikrochip-­Implantate für sich entdecken?

Dr. Patrick Kramer: Was beinahe jeden Kritiker umstimmen würde, ist eine Bezahlmöglichkeit via Mikrochip-Implantat. Wenn es darum geht, ganz ohne Bargeld oder Karte zu bezahlen, werden selbst die größten Skeptiker hellhörig. Generell ist es einfach so, dass die Kritik immer leiser wird, je größer der Nutzen ist. Ein recht anschauliches Beispiel: Beim Zahnarzt lassen sich so viele Menschen für eine Menge Geld Implantate einsetzen. Sie nehmen die hohen Preise und die Schmerzen billigend in Kauf. Und das meist nur aus ästhetischen Gründen. Daher denke ich, dass die stetige Entwicklung auch die Kritiker schwinden lässt, denn ein Mikrochip-Implantat bietet ganz offensichtlich so viel mehr als ästhetische Gründe.

ALSO POINT: Sie beschäftigen sich tagtäglich mit dem Thema. Sind Sie der Meinung, dass Biohacking die Menschheit immer weiter optimieren wird?

Dr. Patrick Kramer: Die Menschheit wird nicht Millionen von Jahren warten, bis die Evolution unsere Gehirne und Körper verändert oder optimiert beziehungsweise verbessert. Deshalb nehmen wir das selbst in die Hand. Ich denke, die Technik verbessert uns nicht und macht uns auch nicht zu besseren Menschen. Im besten Fall erleichtert sie uns einfach einiges und ich denke, das wird auch in Zukunft so sein. Mag komisch klingen, aber ich selbst bin tatsächlich glücklicher, je weniger Technologie eine Rolle in meinem Leben spielt.

ALSO POINT: Was genau meinen Sie damit?

Dr. Patrick Kramer: Ich finde Technik dann gut, wenn sie mein Leben erleichtert und entspannt. Nicht mehr an einen Schlüssel denken zu müssen, ohne irgendwelche Nachteile zu haben, finde ich genial. Ich bin ein großer Fan davon, etwas unter der Haut zu tragen, was mich meine Haustür oder mein Handy managen lässt, ohne dass ich die Technologie großartig wahrnehme. „Shy-Tech“ – also schüchterne Technologie –, die nicht mehr als Technologie wahrgenommen wird, aber doch die volle Funktionsbreite anbietet, ist für mich eine ­super Entwicklung, in deren Bereich noch viel passieren wird. Wir alle haben diverse Schubladen mit Kabeln oder Elektronik zuhause, die keiner mehr braucht. Wäre doch super, wenn es die in Zukunft nicht mehr gäbe.

Ich hoffe, dass das technische Leben in Zukunft insgesamt einfach entspannter wird
und neue Technologien uns nicht noch mehr Zeug in die Schubladen spülen.
Mikrochip-Implantate sind dazu auf jeden Fall
schon ein Schritt in die richtige Richtung.